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Erinnerungstreffen: 50 Jahre in der Anklamstraße
Alle hatten die gleiche Tapete.

In der Sandkiste hinter dem Haus gab es mittig einen Strich. Links spielten die Mädchen, rechts die Jungs. Es war die Zeit, als 31 Kinder in der Anklamstraße 11 bis 17 lebten – als die Kinder den rostroten Kater Bingo durch die Gegend trugen, draußen Kettcar fuhren und Gummitwist spielten. Und als regelmäßig jemand aus der Schulklasse mit am Mittagstisch saß: „Den habe ich heute mal mitgebracht.“ Ideale Voraussetzungen für die Eltern, um schnell in Kontakt zu kommen. Sieben Mieter kennen sich nun bereits seit 50 Jahren. So lange leben sie in ihren Wohnungen. Ein Blick zurück.


Anstoßen auf die gute Nachbarschaft: (v.l.) Gertrude von Spiczak, Bärbel König und Barbara Förster.

Barbara Förster (78) und Gertrude von Spiczak (79) gehörten im Herbst 1966 zu den Erstbeziehern der neuen Häuser am Wald. „Als wir im Heidberg einzogen, waren rundum Felder. Brachland und ein Erdbeerbeet in einer Kieskuhle. Sie müssen sich das ganze Einkaufszentrum wegdenken. Zum Einkaufen gab es nur einen Konsum-Markt in einer Baracke. Regelmäßig kamen Lastwagen, die an einem Tresen Obst und Eier verkauften“, erzählen sie. Der Eierverkäufer hatte eine Glocke. „Unser Sohn rief immer: Bimbim, Eier“, so Barbara Förster. Die großen Sandhaufen waren für die Kinder ein Abenteuerspielplatz: „Die Jungs fanden alles, was dreckig war, super.“ Bevor sie ins Treppenhaus durften, mussten sie dann erst mal die Hose ausziehen. „In der Wohnung hörte ich durch den Luftschacht oft einen Jungen. Der heulte wie ein Wolf. Er wollte nicht gewaschen werden“, berichtet Bärbel König (72), die 1971 einzog, lachend. Das Leben spielte sich großenteils draußen ab. Die Mülltonnen waren in Betonklötze eingebaut. Das war der Lieblings-Treffpunkt der Kinder: „Sie drängelten sich aneinander, damit jeder einen Platz bekam. Es wurde viel geteilt. Bonbons wie Brote. Da wurde gleich eine ganze Schüssel mitgenommen.“

In der Grundschule gab es 1970 zehn erste Klassen! „Unsere Kinder waren alle ungefähr gleich alt“, erzählt Gertrude von Spiczak. Und ergänzt schmunzelnd: „aber ohne uns abzusprechen“. So kamen die Eltern schnell ins Gespräch. Bald gingen viele von ihnen zusammen zum Sport. „Eine Turnhalle gab es nicht. Deswegen waren wir in der Kirche. Die Stühle wurden weggeräumt. Wir machten Gymnastik vor dem Altar.“

Ab 1974 spielten sie zusammen Volleyball und gingen anschließend in eine der vielen Kneipen. Sie erinnern sich auch noch gut an die dreitägigen Schützenfeste. Einmal tanzten sie so ausdauernd, dass die Holzdiele im Zelt durchbrach.

Die Miete der Drei-Zimmer-Wohnung kostete beim Einzug 180 Mark. Witziges Detail: Alle hatten die gleiche Tapete – mit Häusern, Blättern und Frauen in Tracht – die Wohnungen rechts in Lila, die Wohnungen links in Rot. „Wir waren glücklich, so eine schöne Wohnung zu haben – mit Zentralheizung, einer Essdiele mit Glaswand und einer Abstellkammer bis zur Decke“, erzählt Barbara Förster. „Im Haus war Vertrauen untereinander. Da hatte man den Schlüssel der Nachbarn und setzte sich auch mal abends ans Bett vom Kind, wenn die Eltern unterwegs waren.“

Die gute Nachbarschaft gibt es noch heute: „Inzwischen ist hier so’n bisschen Rentnershausen. Man kennt fast jeden vom Sehen und hilft sich. Es ist einfach schön“, so Gertrude von Spiczak. Im Advent treffen sich immer rund 30 Nachbarn im Fahrradkeller. Blechlaterne vor der Haustür, im Keller Lichterketten, Kekse und Glühwein. Dazu lesen sie Geschichten vor und singen.